Warum denn etwas ändern? Wir haben das schon immer so gemacht! Verändern, um der Veränderung Willen. Die masslose Veränderung. Nicht die ganze Vergangenheit ist zum wegwerfen. Das Alte ist wie das Neue. Das Neue ist wie das Alte. Die Gründe für die Veränderung.
Wenn ich in ganz alltäglicher Weise auf das Verhalten von Mitarbeitern oder klare Managementkonzepte Bezug nehme, dann höre ich häufig die folgende Aussage: „Warum müssen wir etwas daran ändern? Das haben wir doch immer so gemacht!“. Das ist auf Anhieb einfach zu beantworten. Denn es ist doch wahr: Wenn es so immer funktioniert hat, warum, verflixt nochmal, soll man dann etwas ändern? Nicht selten werden auch dem (neuen) Chef ärgerlich Vorhaltungen gemacht, weil er mit seiner Neigung nervt, einfach etwas verändern zu wollen. Verdammt, nur um der Veränderung Willen!
The most dangerous phrase in the language is – we’ve always done it this way
Das ist der allergefährlichste Satz: Wir haben das immer so gemacht. Dieses Zitat von Grace Hopper war die treibende Kraft, warum ich mir wieder Gedanken über die möglichen Auswirkungen der Verhaltensdynamiken gemacht habe. Auf den ersten Blick scheint es einfache nur eine intellektuelle Formalität zu sein. Aber da irrte ich mich. Einerseits irritiert es mich, ständig etwas ändern zu müssen, auf der anderen Seite finde ich es frustrierend, wenn ich nicht in der Lage bin, etwas zu ändern. Wie kann man aber diese beiden Extreme in Einklang bringen?
Nur die Dümmsten und die Weisesten können sich nicht ändern (Konfuzius)
Im Laufe der Zeit entwickelt der Mensch Normen, Verfahren oder Gewohnheiten, um nur einige Beispiele zu nennen. Normalerweise investiert man Zeit und Ressourcen, um die geeigneten Verhaltensinstrumente zu entwickeln, welche den Personen oder der Organisation eine Möglichkeit zur Verbesserung verschaffen. Und dann werden diese Verhaltensinstrumente eingeführt. Und so werden diese Arbeitsmethoden von Tag zu Tag, von Jahr zu Jahr, von Mitarbeiter zu Mitarbeiter einfach so weitergegeben. Und für lange Zeit sagt niemand etwas dazu. Es ist einfach so. Es funktioniert! Und dann kommt plötzlich, wie ein Blitz aus heiterem Himmel, ein neuer Chef. Oder ein neuer Mitarbeiter. Dieser stellt eine einfache und scheinbar harmlose Frage: „Warum macht ihr das so?“. Und schon steht die lapidare Antwort bereit: „Wir haben das immer so gemacht.“ Gleichzeitig sind wir uns (nicht) darüber im Klaren, dass wir den „Grund“ für unser derartiges Handeln nicht kennen. Und dann fühlen wir uns aus dem Gleichgewicht gebracht. Es bleibt uns nichts anderes übrig als die Allerweltsantwort … „Wir haben das immer so gemacht!“
Ein Optimist sieht eine Gelegenheit in jeder Schwierigkeit, ein Pessimist sieht eine Schwierigkeit in jeder Gelegenheit (Winston Churchill)
Die Ursache dafür, dass einem im Laufe der Zeit die Gründe, die Motive entschwinden, die zu dieser Methode geführt haben, anstatt zu einer Anderen, ist die Routine. Nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch die verschiedenen Chefs, die die nach und nach gekommen sind, haben es nicht mehr als notwendig erachtet, die Gründe für bestimmte Entscheidungen zu verstehen. Das soll nun aber auch nicht heissen, es sei notwendig, immer und regelmässig jedes Verfahren oder jede Entscheidung wie bei der „Heiligen Inquisition“ unter die Lupe zu nehmen. Wir würden das Gegenteil erreichen, wenn wir immer alles in Frage stellte. Das würde die Effizienz einer Gruppe viel zu sehr verlangsamen. Ich halte es aber dennoch bei der Vermittlung von Wissen für unerlässlich, dass jeder diese einfache Frage über die Gründe beantworten kann, warum man sich für diesen oder jenen bestimmten Weg entschieden hat. Warum so und nicht anders? Was sind die Gründe dafür? Entsprechen diese Gründe noch der Zeit? Die Antwort auf diese Fragen obliegt einerseits dem Mitarbeiter und andererseits dem Verantwortlichen. Es geht deshalb darum, über die Ursachen nachzudenken, die zu der Entscheidung geführt haben und festzustellen, ob diese Entscheidungen noch immer den derzeitigen Bedürfnissen entsprechen.
Durch diese kurzen Betrachtungen öffnen wir den Weg in zwei mögliche Richtungen: Die erste Richtung ist die, in welcher der Aktualitätsbezug gerechtfertigt wird. Die zweite Richtung stellt die Notwendigkeit für eine vollständige oder teilweise Veränderung dar. Dem Vorgesetzten mit einem simplen „Das haben wir immer so gemacht“ zu antworten, führt zu keiner Lösung und manchmal versäumt man dadurch auch, richtige Entscheidungen zu treffen, nur weil man nicht imstande ist, die wahren Absichten zu vermitteln (oder zu verstehen). Auch ist dem Vorgesetzten, der nach dem Grund für eine bestimmte Wahl fragt, kein Vorwurf zu machen, ganz im Gegenteil. Es ist in jedem Fall wichtig, dass die Konfrontation mit der lakonischen Aussage „Wir haben das immer so gemacht“, nicht als Vorwand genommen wird, einfach alles auf einmal zu ändern. Stattdessen wäre es angebracht, dem Mitarbeiter genügend Zeit für eine Antwort auf die scheinbar einfache Frage zu lassen: „Warum wird das so gemacht?“.
Die größten Schwierigkeit der Welt besteht nicht darin, Leute zu bewegen, neue Ideen anzunehmen, sondern alte zu vergessen. (John Maynard Keynes)
Unsere machiavellistische Diskussion hat noch nicht ihren Endpunkt erreicht. Die Mode und gesellschaftliche und politische Trends sind nur einige der Variablen, die sich auf die (Nicht-)Veränderungen auswirken. Manchmal wird etwas geändert, weil es gerade „in“ ist, etwas zu ändern. Manchmal ändert man etwas, weil das Management eine andere Orientierung bevorzugt. Manchmal muss man etwas ändern, um dem momentanen politischen Spiel zu folgen. Manchmal ändert man etwas, aber in Wirklichkeit doch nicht. Manchmal ändert man etwas, um dann, nach mehreren Jahren, wieder von vorn zu beginnen. Der einzige gemeinsame Nenner ist der Mensch. Das heisst, wir müssen wieder einmal auf die Rolle derer Bezug nehmen, die berufen sind, andere Menschen zu führen. Leider ist nicht jeder dazu geboren, Arzt oder Ingenieur zu werden. Und genausowenig ist jeder – obwohl er studiert hat – dazu geboren, eine Führungsrolle zu übernehmen (Leadership).
Derjenige, der dies schreibt, hat die schlechte Angewohnheit, viele Dinge in Frage zu stellen. Wenn ich in meinen frühen Jahren der Verantwortung dazu tendierte, alles und am besten auch noch sofort ändern zu wollen, so ist in den Jahren (der Erfahrung) meine Veranlagung kritisch geblieben, aber sie hat sich auch weiterentwickelt. Ich frage, um zu erfahren. Ich möchte den Grund für diese oder jene Entscheidung wissen. Und nachdem ich mir entsprechend dafür Zeit genommen habe, entscheide ich. Man ändert, passt an, oder man macht weiter so. Denn am Ende bin ich derjenige, der die Verantwortung trägt.