Berufliche Fortbildung – Libido und Belastung

Heute will ich in das Thema der beruflichen Fortbildung eintauchen. Die Frage, die sich dazu stellt: „Berufliche Fortbildung, Libido oder Belastung?“ Das zu klären: „Libido ist als das Wollen zu verstehen, während Belastung die Mühsal ist. Samstagmorgen, 06.00 Uhr. Der Wecker läutet. Verdammt, sage ich mir, es ist Samstag und doch läutet der Wecker. Dusche, ein Yoghurt, ein Kaffee mit viel Koffein und sechs Deziliter Wasser. Jackett, Schlüssel und ab in mein  Büro. Nicht um zu arbeiten, sondern zu studieren. Zuhause kann ich mich nicht konzentrieren. Zu viele Ablenkungen, die mit den Hausarbeiten hektisch beschäftigte Ehefrau, das Kind stets dabei, die Welt zu entdecken, mein Computer, meine Bücher, die mit dem Studienfach fast überhaupt nichts zu tun haben und meine Hobbys (mein Blog und mit der Drohne fliegen). Insgesamt also eine explosive Mischung, die ablenkt. Doch dieser Samstag ist eine Ausnahme – ich habe keine Unterrichtsstunde. Normalerweise bin ich jeden Freitag und Samstag (für sechs bis acht Stunden) ein Student. Ein mehr als 45-jähriger Student.

Die Gesellschaft verlangt ein Diplom nach dem anderen. Mhmm, sage ich mir, aber die Erfahrung?

Doch diese Fortbildung war mein Wunsch. Ich will. Ja. Ich beklage mich nicht. Es ist ein Einsatz, der seine Früchte tragen wird – sicher Früchte für mich selber, während im Beruflichen dagegen… also da wird man sehen. Man muss nur festlegen, was die Früchte sind, doch das steht auf einem anderen Blatt. Die vorrangige Frage ist aber: „Ist die berufliche Fortbildung bei einer gewissen Reife etwas Gewolltes oder eine reine Belastung?“ Also, machen wir eine Fortbildung, weil wir es wollen, oder weil es uns die immer hektischere und schnelllebige Gesellschaft aufzwingt? Keine leichte Frage. Nein, vielleicht nein. Die Zeiten des “ich habe ein Diplom bekommen und jetzt reicht es” sind inzwischen vorbei. Fertig, passé! Das gibt es nicht mehr. Wenn wir heute im Wettbewerb bestehen wollen, müssen wir darauf achten, wie die Entwicklungen laufen. Als Entwicklungen verstehe ich die neuen Trends, die neuen Ansätze, die neuen Möglichkeiten. Leider oder auch nicht, die Fortbildung innerhalb eines Unternehmens ist – wenn auch nützlich – nicht „sicher“. Die Gesellschaft verlangt ein Diplom nach dem anderen. Mhmm, sage ich mir, aber die Erfahrung? Ja, auch die. Auch wenn viele in leitender Position sich von der unglaublichen Flut an Diplomen eines Mitarbeiters blenden lässt (und von seiner Arroganz, seiner Karrieregeilheit… ich beschränke mich auf nur ein paar negative Aspekte. Klar positiv gibt es dagegen auch das Genie, also den, der für eine bestimmte Position geeignet ist), sollte die Erfahrung aber doch das angemessene Gegengewicht bilden. Theorie ohne praktische Erfahrung ist wie ein schönes Rezeptbuch. Haben Sie schon einmal versucht, ein Rezeptbuch zu genießen? Genau. Man muss auch kochen können, das Gelernte also praktisch anwenden. Schon dabei fällt ein guter Teil der Theoretiker vom Olymp (und gelegentlich tun sich diese selbsternannten „Alleswisser“ weh, doch meist tun sie den anderen weh).

Ich bin also für meine Fortbildung motiviert, auch wenn mir klar ist, dass die Motivierung mehr von außen als von innen kommt. Ich möchte noch den Rest der Bücher lesen, die ich im Regal habe, ich möchte öfter ins Kino gehen, mit meiner Tochter Gitarre spielen, meine Drohne fliegen lassen, mit meiner Frau öfter reden (last but not least). Aber ich kann nicht alles tun. Schade. Aber es gibt anderes. Es gibt seit einiger Zeit auch eine „offene“ Fortbildungsplattform; also Online-Kurse von gutem / hohem Niveau, die speziell auf wissensdurstige Nutzer oder Personen zugeschnitten sind. Ich habe mir vorgenommen, diese Plattform zu nutzen. Aber nicht jetzt. Jetzt habe ich keine Zeit. Diese Kurse stützen sich auch auf Universitäten und am Ende des Kurses oder Abschnitts bekommt man (oder auch nicht) eine Frequenzbescheinigung. Eine neue Art des Studierens, die bislang nicht von unserer von Diplomen und Zertifikaten überquellenden Gesellschaft nicht unbedingt anerkannt ist.

Ich möchte über 360° rundum lernen, um mein Wissen zu erweitern, meine Kenntnisse zu vertiefen und neue Einsichten zu gewinnen.

Um diese Rundschau abzuschließen, noch eine kleine Bemerkung zum Studieren. Vergessen wir, dass der Arbeitgeber sich über die Fortbildung freut – am besten, wenn schon beendet –, doch manchmal habe ich den Eindruck, dass man gut redet (gute Vorsätze, Zielsetzungen für die Enzwicklung des Mitarbeiters usw. usw.) und schlecht baut (für einen Kursbesuch günstige Rahmenbedingungen) … aber vergessen wir es. Was mich umtreibt ist die „Qualität“ – nicht in Hinblick auf die Art des angebotenen Lehrgangs, sondern dessen Umsetzung. Ich möchte über 360° rundum lernen, um mein Wissen zu erweitern, meine Kenntnisse zu vertiefen und neue Einsichten zu gewinnen. Stattdessen merke ich, dass ich für die Prüfungen und die Tests lerne. Schade. Doch diese Tatsache ist vom gewaltigen Druck am Arbeitsplatz gegeben, von der verfügbaren Zeit und von der Notwendigkeit, alle Teile unseres Lebens unter ein Dach zu bringen. Privates und öffentliches Leben.

Die berufliche Fortbildung ist etwas, das uns das ganze Leben lang begleiten wird.

Aufhören? Nein, noch etwas. In den ersten Jahren der Karriere, nach Studienabschluss und dem Eintritt in die Welt der Arbeit, konzentrieren sich viele auf verschiedene Aspekte wie etwa die Familie, ein Haus zu bauen, sich in der Arbeitswelt einen Namen zu machen, gut zu leben (ja, das gibt es auch). So wird es erst in der zweiten Hälfte des Berufslebens, zwischen 40 und 50 Jahren, für viele möglich, eine zusätzliche und gewichtige Fortbildung zu beginnen. Ich bin zudem davon überzeugt, dass auch nach 50 und somit wahrscheinlich im letzten Abschnitt des Berufslebens eine Fortbildung gut angelegt sein kann.

Also, ja. Die berufliche Fortbildung ist etwas, das uns das ganze Leben lang begleitet (oder begleiten kann). Es ist also besser, sie zu akzeptieren. Damit wird es leichter, die Früchte dieser Entscheidung zu genießen. Wie, wann usw. – mit oder ohne Diplom sei (so hoffe ich) unserem freien Urteil überlassen.

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1 Kommentar zu „Berufliche Fortbildung – Libido und Belastung“

  1. Guten Tag Alessandro
    Ein interessanter Artikel. Insbesondere freut mich der Satz “ Ich bin zudem davon überzeugt, dass auch nach 50 und somit wahrscheinlich im letzten Abschnitt des Berufslebens eine Fortbildung gut angelegt sein kann.“ Auch wenn der Arbeitgeber vielleicht nur in einem ersten Schritt bereit ist eine Weiterausbildung nach 50 für das berufliche Weiterkommen zu berücksichtigen. Unsere Laufbahn als BO wird zu einem Zeitpunkt zu Beginn des BO Berufslebens festgelegt. Wer da nicht ein gutes Startloch bekommt, der wird Mühe haben. Nur glückliche Umstände (sprich: ein Vorgesetzter mit Kompetenzen will es) können die weitere Laufbahn nachhaltig positiv beeinflussen. Insofern gebe ich F. recht, wenn er sagt, dass derjenige der hart im Job arbeitet nicht wirklich Karriere machen kann. Karriere macht derjenige, der hart an seiner Karriere arbeitet. Und trotzdem: Der persönliche Gewinn einer Weiterausbildung nach 45-50ig ist enorm. Man beweist sich (und den Jungen) dass man immer noch dabei ist! Eine Weiterausbildung gepaart mit viel beruflicher (und menschlicher) Erfahrung generiert für den Arbeitgeber ein enormes Potenzial zu Gunsten seiner Unternehmung. Er muss es nur nutzen. Wenn ein Arbeitgeber dies nicht erkennt oder erkennen kann, so verschleudert er wertvolle Ressourcen.
    … Vorgesetzte welche hart an ihrer Karriere arbeiten, haben keine Zeit sich um das Ganze zu kümmern. Sie sind mit sich und ihrer Karriere beschäftigt …

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