Himmel- oder Höllenfahrt – Eine Frage des Vertrauens

Wie weit sind Sie bereit, sich für eine Person zu engagieren? Wie weit sind Sie bereit, ihre Vision zu verfolgen und Leute, die nicht Ihrer Meinung sind, zu akzeptieren bzw. tolerieren?

Zwei spannende Fragen! Dazu gibt es auch leider keine richtigen oder falschen Antworten. Ihr einziger gemeinsamer Nenner ist, dass eine Entscheidung gefragt ist. Jawohl! Bewusst oder unbewusst muss man sich entscheiden.

Ich erkenne, dass für mich das gegenseitige Vertrauen und der Glaube an das, was wir machen (persönlich und nicht nur karrierebedingt) wichtiger sind als (schmerzhafte) Kompromisse.

Die erste Frage

IMG_8121Am Anfang meiner militärischen Berufslaufbahn wurde ich ein paar Mal mit der ersten Frage konfrontiert, nämlich inwieweit ich Mitarbeiter oder abverdienenden Kader unterstützen kann.

Wo ist die Grenze? Der Kader X war meinem Team zugewiesen. Er trug eine grosse Verantwortung in seinem Fachbereich und konnte selbständig arbeiten, wie auch immer er es richtig fand. Auftragstaktik! Plötzlich bemerkte ich eine zu grosse Interpretation der Auftragstaktik. Ich versuchte, ihn ins Boot zu holen, gab klare Befehle (Handlungsrichtlinien), kommunizierte meine Absichten, forderte die Zusammenarbeit. Leider ohne Erfolg. Nach ungefähr sechs Monaten meldete ich meinem Vorgesetzten den Fall. Mit einer kompletten Faktensammlung wollte ich meinen Chef über das Geschehen und mein Vorgehen Bericht erstatten. Der Kommandant empfing mich mit einem Lachen. In einer zufriedenen Art sagte er mir, dass er mich schon lange erwartet hatte. Wie bitte? Mich erwartet? Mein Kommentar ist dem Leser überlassen. Die Folge der Meldung trat aber rasant ein. Der Mann packte seine Sachen und wurde an einen anderen Ort kommandiert.

Ein weiteres Beispiel: Diesmal geht es um einen abverdienenden Kompaniekommandant und einen vom Zeitmilitär. Die Ausganglage war dieselbe. Der Kommandant hatte mit beiden – aus welchen Gründen auch immer – Mühe. In den konkreten Fällen setzte ich mich für beide Personen gleich stark ein und unterstützte beide Offiziere. Ich spürte, dass mein Chef damals nicht ganz zufrieden war. Er respektierte jedoch mein Engagement. Das sind nur ein paar Situationen, die ich entlang meiner Karriere erlebt habe.

Nun, die Frage nach meinem Verhalten. Drei Personen. Eine war für mich zu einem Zeitpunkt nicht mehr tragbar, die anderen zwei waren das Gegenteil. Die Antwort ist einfach. Das Vertrauen war massgeblich bei den beiden Offizieren vorhanden. Im Gegensatz dazu hatte ich mit der Zeit zu dem anderen Mitarbeiter kein Vertrauen mehr. Mit beiden Herren habe ich noch Kontakt und sie geniessen mein volles Vertrauen. Und beide sind geprägte und wertvolle Mitarbeiter unserer Armee.

Die zweite Frage

IMG_8122Nun zur zweiten Frage. Als ich noch Pfadfinder in der Funktion als Abteilungsverantwortlicher war, wurde ich mehrmals mit Führungsentscheidungen konfrontiert. Zum Beispiel wollte ich, dass die Leiter an den Sommerlagern keine Teilabwesenheiten wählten. Sie sollten entweder anwesend sein oder gar nicht kommen. Die Begründung war: Leidenschaft zeigen gegenüber den jungen Teilnehmern! Weiter war es auch eine Sache der Verantwortung. Es ging nicht nur um die Anwesenheit, sondern auch um die damit verbundene Aufgabe. Somit habe ich mehreren Leitern einfach die Lagerteilnahme verboten. Das schlimmste war, dass ich einem meiner besten Freunde eine Absage erteilte. Die gleiche Einstellung hatte ich bezüglich des Engagements der Leiter während des Jahres (jeden Samstag gab es Aktivitäten). Klar gab es ab und zu Kompromisse. Kompromisslos war ich, wenn ich andere Interessen zu Lasten des Vereins bzw. der uns anvertrauten Kinder spürte. Damit verlor ich meinen besten Freund. Und ja, er war wirklich mein bester Freund.

Wiederum die Frage nach meinem Verhalten. Meine Einstellung zum verein war einfach die Leidenschaft, sich für andere zu engagieren. Auch hier war das Vertrauen ein Thema. Im Gegensatz zu oben war der Sinn unseres Engagements bei den Pfadfindern wichtiger als die Personen. Im Nachhinein betrachtet, hätte ich eine bessere Kompromissbereitschaft zeigen können. Meine Aufgabe war nicht einfach. Damals waren aber meine Bereitschaft, Motivation und der Sinn an der Bewegung meine wichtigsten Erfolgsfaktoren. Und die Abteilung war erfolgreich.

Die Rechnung

Mein Verhalten gegenüber meinen Unterstellten und gegenüber meinen Vorgesetzen war somit zwiespältig. Eine Seit war sicher positiv. Die andere Seite kostete mir viel Kraft, Energie und führte zu grossen Spannungen. Auf der Vorgesetztenseite hatte ich später keine grosse Unterstützung für meine Weiterentwicklung und auf der persönlichen Ebene habe ich viele Freunde verloren. Oh ja, ich habe nicht nur Freunde verloren, sondern mir auch Feinde geschaffen.

Nach so vielen Jahren erkenne ich (nicht nur heute), dass ich sicherlich Fehler gemacht habe. Ich erkenne aber auch, dass für mich das gegenseitige Vertrauen und der Glaube an das, was wir machen (persönlich und nicht nur karrierebedingt) wichtiger sind als (schmerzhafte) Kompromisse. Noch heute setze ich alles dran, um meine Mitarbeiter zu schützen. Auch heute trenne ich mich emotionslos von gewissen Mitarbeitern. Es ist einfach eine Frage des Vertrauens – heute mit mehr Erfahrung und Kompromissbereitschaft.

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1 Kommentar zu „Himmel- oder Höllenfahrt – Eine Frage des Vertrauens“

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