Die militärische logistische Führung 4.0

Ein Blick in eine mögliche Zukunft. Gedanken, am Rand der digitaler Revolution

Beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges rückte die französische Armee mit ausgeprägten rotfarbigen Uniformen vor. Bereits nach den ersten Kämpfen merkte man, dass die bis jetzt sichtbaren Uniformen ein klarer Nachteil waren. Die Uniformen wurden bald ersetzt.

Moral der Geschichte: Wer die Zeichen der Zukunft ablehnt, hat seinen Job nicht gemacht.

AmatVictoria

Vernetzung und Planungsarbeit

Die zunehmende Vielfältigkeit der Operationen bzw. militärischen Aktionen, bei der die Gefahr durch die Hybridität durch die Digitalisierung der Gesellschaft und des Gefechtsfeldes komplexer ausprägt ist, führt zu einer angepassten bzw. anderen Betrachtungsweise bezüglich des Einbezugs der Logistik und der Führungsunterstützung.

Das klassische Vorgehen der Aktionsplanung hat sich durch all die Jahre bewährt, wenn die klassische Bedrohung durch zwei Fronten – uns besser als ROT und BLAU bekannt – gegeben ist und Technik eine primordiale Rolle spielt.

Bis zum Ende des Kalten Krieges genügte die Absprache zwischen dem Taktiker und den unterstützenden Diensten, um eine Planung zu konzipieren. In den letzten Jahren wird aufgrund der modernen Technik und der brisanten Rolle der Digitalisierung resp. durch die Vernetzung der Gesellschaft und konsequenterweise der militärischen Strukturen eine vertiefte Integration der unterstützenden Aspekte im taktischen Denken vor der Konzeptphase nötig. Konkret heisst dies, dass Vorentscheidungen, sei es in Form von Handlungsrichtlinien, sei es in Form eines Teilkonzepts, notwendig sind.

Lassen wir uns vom folgenden Motto leiten: „The best way to predict the future is to invent it“ (Alan Kay).

PredictFuture

Ein guter Stab und ein bedachter Kommandant überprüfen die Taktik an den Aspekten der Logistik und der Unterstützung. Der Unterschied zwischen gestern und heute ist die starke und unabdingbare Abhängigkeit vom Netzwerkdenken und der technischen Umsetzung. In der Vergangenheit war es einfacher, die Logistik und die Führungsunterstützung in der Konzeptphase an die Bedürfnisse der Taktik anzupassen. Das Prinzip der Logistik und FU dient heute dazu, mittels Digitalisierung des Gefechtsfelds und einer kontinuierlichen Anpassung aufgrund von Planungsfehlern eine Aktion zu beeinflussen. Die Logistik und die Führungsunterstützung sind immer da, um Wünsche zu erfüllen. Wunder bleiben aber dennoch ausgeschlossen.

Der Irrtum

In der Aus- und Weiterbildung ist ein besonderer Akzent immer auf die Taktik gerichtet. Es soll auch künftig so sein. Man geht davon aus, dass der Rest (was auch immer das ist) selbstverständlich ist. Das ist ein purer Irrtum. Die Betrachtung des Wortes Taktik ist diesbezüglich neu durchzudenken (wenn Puristen der Taktik hier am Lesen sind) oder anzupassen (wenn Neulinge in der Welt der Taktik die ersten Schritte wagen). Es geht nicht mehr darum, in einen Raum zu gehen, dort einen Angriff oder eine Verteidigungsaktion zu gestalten und anschliessend nach Hause zu gehen.

Ein Wort in aller Munde. Hybridität

Die Hybridität zwingt den modernen Entscheidungsträger, vor dem Entschluss eine breitere Auswahl an Entscheidungskriterien in Kauf zu nehmen.  Schutzaufträge sind somit eng mit Durchhaltefähigkeit, Infrastruktur, Nachschubwegen oder Kommunikationsinfrastruktur-Standorten sowie mit dem sogenannten Cyberspace und/oder Sensorwirkungsverbund verbunden. Weiter beeinflusst die zwingende Zusammenarbeit zwischen verschiedenen staatlichen und/oder auch nicht staatlichen Akteuren den Entschluss. Kurz gesagt: Der Chef kann nicht mehr alleine entscheiden, trägt aber die Einsatzverantwortung. Eine oberflächliche Betrachtung der Logistik bzw. der Führungsunterstützung kann den Erfolg einer Operation stark einschränken.

Selbstverständlich war die Hybridität auch in der Vergangenheit ein Thema. In Bezug auf die bevorstehende Zukunft war das Spektrum des Einsatzfeldes mit der Steinzeit vergleichbar: keine entscheidende Vernetzung zwischen den verschiedenen Akteuren, Eingrenzung zwischen Einsatzraum und Einsatzgebiet, tiefere Technologie und längere Reaktionszeiten. Ja, meine Herren, in Zukunft werden wir dies deutlich erkennen. Es ist mit einer disruptiven Situation zu vergleichen. Menschen, die den Trend der Entwicklung mitverfolgen und trotz der disruptiven Lage den Eintritt in die Welt 4.0 verstanden haben, werden die Bedeutung rasch erkennen und mögliche Lösungen oder Anpassungen schmerzlos vornehmen.

Dieser Artikel ist auch auf Armee-Logistik zu lesen (Armee-Logistik, März, Nr. 3, S. 12-14)

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Es eilt – vermeiden wir Zeitdruck

Die uns bevorstehende Digitalisierung der Gesellschaft (Wirtschaft, staatliche/nicht staatliche Akteure) und konsequenterweise des Gefechtsfeldes zwingt uns, unser Vorgehen zumindest zu reflektieren. Fanions, Tauben, Morsealphabet, Telefon, Packpapier, 5+2 usw. waren oder sind teilweise noch bewährte Mittel, um Aktionen zu planen und Prozesse effektiv und effizient zu steuern.

In einer Welt, in der es wichtig ist, rasch zu reagieren (unter der Notwendigkeit, sich Zeit zu nehmen), ist es überlebenswichtig, uns vor den bevorstehenden und unverzichtbaren Herausforderungen zu wappnen. Diejenigen, die die Fähigkeit besitzen, rasch und wirkungsvoll zu reagieren, haben mögliche Chancen, den Sieg zu deklarieren – „Amat Victoria Curam“. Der Begriff „rasch“ bedeutet hier die Fähigkeit, die Stärke der Digitalisierung und der Vernetzung zu Gunsten einer Strategie resp. einer Taktik voll und ganz ausnützen zu können.

Es geht nicht nur um eine Frage der Digitalisierung des Gefechtsfeldes. Das wird kommen, ob wir wollen oder nicht. Es geht auch nicht darum, zu denken, dass die Miliz dies kann oder nicht kann. Unser Milizsystem ist auch im Wandel der Zeit anders geworden. Digitalisierung heisst einfach: neue Chancen sowie Gefahren. Nein, es geht um die Einstellung der wichtigsten Ressource, die wir haben, nämlich der Menschen. Die besten Prozesse und Technologien nützen überhaupt nichts, wenn wir diese nicht wirkungsvoll einsetzen. Die Herausforderungen der nächsten Jahre  sind a) aus der Welt der Digitalisierung und Vernetzung das Beste herauszuholen, b) aus den Vorteilen der Revolution 4.0 unsere Prozesse anzupassen und c) die Einstellung der Chefs auf die neuen Technologien auszurichten. Nicht ausgeschlossen ist, dass Morsealphabet, Taube und Packpapier auch in Zukunft eine Rolle spielen werden.

Die künstliche Intelligenz im Dienst der Analyse

Die Revolution der Digitalisierung bietet nicht nur negative Aspekte, sondern auch Chancen. Big Data ist seit Jahren ein Thema. Der Mensch verfügt heute über fast unbeschränkte Daten. Die künstliche Intelligenz eröffnet der Menschheit neue Wege in der Analyse. Die Kombination der Analyse von Big-Data mit künstlicher Intelligenz kann nicht nur komplexe Aspekte untersuchen, sondern auch Resultate in eine kurze Zeit liefern. Eben Zeit gewinnen. Eine vernünftige Verwendung der Big-Data und die darauffolgende Analyse kann dem zuständigen Analytiker oder der Führungskraft Aspekte zeigen, die erst in Monaten, eventuell aber auch schon heute brauchen kann. Entscheid und Umsetzung wird aber immer beim Mensch bleiben. Das ist übrigens keine Theorie. Artificial Intelligenz ist eine Realität.

Es lebe die Logistik

Wenn der Leser das Gefühl hat, dass die Thematik Logistik in diesem Artikel in Vergessenheit geraten ist, ist das teilweise richtig. Die Logistik sowie alle anderen Bereiche einer Operation können nicht in Silos betrachtet werden, sondern nur als Gesamtsystem. Nur Fakten zu besprechen, ist einfacher, als Trends vorherzusehen. Das ist aber eine intellektuelle Herausforderung, die ich gerne annehme.

Ein vielzitierter Aphorismus besagt: „Prognosen sind schwierig, besonders, wenn sie die Zukunft betreffen.“

Im Folgenden sind einige Erwartungen oder möglichen Entwicklungen, schwergewichtig auf die Logistik bezogen, angeführt:

  • durchgängige Datenintegration durch aller Kommandostufen
  • interaktive, vielfältige und rasch verknüpfte Analyse der logistischen Bedürfnisse
  • Logistik, die nicht nur schnell Daten und Planungen erfassen kann, sondern mit konkreten Daten und möglichen Varianten bereits am Anfang der Aktionsplanung der Taktik dient
  • Durchgängigkeit durch die Stufen
  • Verbindlichkeit der Prozesse und Abläufe
  • Raschheit in der Erfassung bzw. Erteilung der Ereignisse

GehtNicht

Ist das nur eine reine Fantasie? Ja, vielleicht. Die Bücher von Jules Verne waren früher auch Science-Fiction. Wer verstehen will, hat verstanden. Manchmal habe ich das Gefühl, wir konzentrieren uns viel mehr über die möglichen negativen Folgen als auf die positiven Aspekte dieser Entwicklungen.

Hier der Link zum Artikel in pdf: Logistik 4.0

Beitragsbild: Alessandro Rappazzo | Source: rappazzo.org | CCO License

Grafik: rappazzo.org

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