Zuerst eine Präzision: Es handelt sich hier nicht um Logistiker im Allgemeinen, sondern wir sprechen über den Militärlogistiker, also einen Soldaten. Ja, so schmerzhaft dies zu verstehen ist, aber der Logistiker ist in erster Linie ein Soldat. Er muss ein Soldat sein. Sollte man anderer Meinung sein, müsste man sich auch Gedanken machen, ob er dann eine Uniform und konsequenterweise auch eine Waffe braucht.
Nehmen wir zuerst durch eine gesunde Satire die Wahrnehmung der Logistiker zur Kenntnis.
Les logisticiens constituent une race triste et aigrie d’individus forts recherchés en temps de guerre, mais qui sombrent avec amertume dans l’obscurité en temps de paix. Ils ne considèrent que les faits mais doivent travailler pour des gens qui ne s’intéressent qu’aux théories. Ils émergent en temps de guerre, car la guerre est un fait d’importance. Ils disparaissent en temps de paix parce qu’en temps de paix la guerre n’est que théorie. Les gens qui ne s’intéressent qu’aux théories, qui emploient les logisticiens en temps de guerre et les ignorent en temps de paix sont les généraux. Les logisticiens détestent les généraux[1].
In der Kürze liegt die Würze – aber soll der kompetente Logistiker diese Wahrnehmung übersehen?
Als Soldat in einer logistischen Funktion sind klare Anforderungen in den Bereichen technische und soldatische Ausbildung gefragt. Ein noch heute klares Beispiel bietet die Instandhaltungskompanie 507 der Vereinigten Staaten. Am 23. Mai 2003 (Iraqi Freedom), am 5. Kampftag, wurden 20% getötet und 30% gefangengenommen[2]. Die Kompanie, welche im Konvoy unterwegs war, wurde aus dem Hinterhalt überfallen. Auf welchen Grund auch immer wurde ein falscher Weg gewählt. Zudem waren die Waffen nicht einsatzbereit und die Truppe nicht in der Lage, unter Feuer korrekt zu reagieren (Hackworth, David H., Trained to die [not open source]). Als Konsequenz und aufgrund dieses Falles konnte die Kompanie den Logistikauftrag des Leistungsbezügers (sprich der Kampfeinheit) kaum erfüllen.
„Wir kämpfen, wie wir ausgebildet sind“
sagte Hackworth. Damit hat er Recht. Wir können uns nun ein paar Fragen stellen: War der Konvoy genug ausgebildet? War nur eine Karte in der Kompanie vorhanden? Warum waren mehrere Waffen nicht einsatzbereit? War ein entsprechendes Standardverhalten bezüglich Selbstschutz im Konvoy vorhanden/bekannt?
Aufgrund dieser Fragen können wir uns auch gleich selbst fragen, ob diesen Thematiken in unserer Armee die nötige Aufmerksamkeit geschenkt wird. Der Kampf-Kommandant fokussiert in seinem jährlichen Wiederholungskurs sein Schwergewicht auf den Kernauftrag – oder auf andere befohlene Aufgaben. Das ist verständlich und soll auch weiter so bleiben. Die Entscheidungsträger der Logistiker sollen aber auch den Bereich Schütz und Kampf nicht aus den Augen verlieren. Der Gedanke, dass die Logistiker nie solche Gefahren erleben werden, ist sehr kritisch zu hinterfragen (Time. Deadly Ambusch).
Ein weiterer wichtiger Punkt, der den erwähnten Fall betrifft, ist das Umfeld. Während der Verschiebung der Truppe fuhren sie an mehreren Iraqis Checkpoints vorbei (Scaraborough, Rowan. Lynch convoy plagued by map error, fatigue. The Washington Times). Diese Aussage zeigt uns die asymmetrische Typologie der Operation. Das Erkennen der feindlichen bzw. nicht feindlichen Akteure war nicht einfach. Der Risikofaktor war hier nicht zu unterschätzen. In den heutigen Operationen der US Army ist leider von dieser Erfahrung wenig zu spüren.
„Poorly armed American logistical troops, with their lumbering, lightly armored trucks and predictable routes along major roads, are easy targets. The insurgent knows it, and so do the logisticians themselves.[3]
Wenn bei der Schweizer Armee von zukünftigen Operationen unterhalb der Kriegsschwelle die Rede ist, sollten solche Szenarien nicht unterschätzt und einer entsprechenden Logistik Beachtung geschenkt werden.
Somit können wir langsam über die Rolle der Militärlogistiker sprechen. Wir machen unsere Arbeit sicher gut. Sind wir aber auch gut im Überleben? Verfügen wir über die richtige Mentalität, die richtige Doktrin, die richtige Ausbildung und die richtige Ausrüstung?
Die richtige (logistische) mentale Vorbereitung beginnt auf allen Stufen: auf der politischen Ebene in der Frage der Landesversorgung, bei der Militärelite[4] in den Fragen der Friedensforderung, bei der militärischen Führung in der Frage der Berücksichtigung der Simulation bzw. der Übungen, in den Truppenkörpern bis auf die kleinste Stufe in der personellen Weiterbildung und in der stetigen Überprüfung der Abläufe bzw Prozesse.
Für militärisches Personal kann folgender Gedanken als Maxime gesehen werden: Logistiker, die keine Kampfgrundsätze verstehen, sind keine guten Logistiker. Kombattanten, die keine Logistikgrundsätze verstehen, sind keine guten Kombattanten.
Somit sind Lehrverbände und Rekrutenschulen in dem ganzen Gefäss zu sehen. Wenn in den Schulen die Logistik keine taktische Rolle spielt, können wir auch später nicht erwarten, dass in kritischen Situationen alles tadellos funktioniert. Die Logistik läuft immer, und in jeder Lage. Beim Kochen wird immer gekocht, beim Fahren wird immer gefahren, bei der Materialvorbereitung wird immer vorbereitet und geliefert. Das läuft.
Sind aber die Truppenköche in einem taktischen Rahmen geschult? Können sie auch unter erschwerten Bedingungen die Leistung bringen? Ist für die Chauffeure das Tragen der Sturmgewehre und die Beherrschung der kleinen Gefechtstechnik ein Thema? Wird das Material-„Hin und Her“ unter Selbstschutz bzw. mit Konvoys erfolgen? Können die Nachschub-Soldaten jede passende Munitionssorte kommissionieren? Das sind nur ein paar Beispiele, die uns zeigen, dass die Logistik, die wir in den Wiederholungskursen erleben, eher zivile Support-Prozesse sind. Es fehlt die militärisch-taktische Komponente.
Entsprechende logistische Rekrutenschulen und das verantwortliche Berufspersonal haben somit den Auftrag, Soldaten in speziellen Funktionen in beiden Bereichen auszubilden: nämlich als Techniker, im Sinne des Fachdiensts, und als Soldaten, womit die Beherrschung der kleinen Gefechtstechnik auf Stufe Gruppe und Zug gemeint ist.
Wenn das nicht der Fall ist oder für einen Teil der Soldaten nicht mehr möglich ist, hat der Verantwortungsträger, der Kommandant den moralischen Auftrag, sich zu wehren. Wenn wir nicht überlegen können, können wir nicht unterstützen. Das ist der A und O der Logistiker.
„Speed is the essence of war. Take advantage of the enemy’s unpreparedness; travel by unexpected routes and strike him where he has taken no precautions.”[5]
Die Logistik hat als Priorität, die Kampfkraft der Leistungsbezüger aufrechtzuerhalten. Dieses Vorgehen ist eine Balance zwischen der technischen Herausforderung und der Notwendigkeit des Selbstschutzes. Die wichtigste Funktion der Logistik ist, zu dienen. Die Zufriedenheit der Leistungsbezüger ist das oberste Ziel. Die Aussage ist auf den ersten Blick kristallklar, es kann aber gefährliche Interpretationen geben. Wenn die Basis, also die Truppen, diesen Aspekt vernachlässigen, gefährdet das die Erfüllung des Auftrags.
Überleben, um unterstützen zu können
Mit Hilfe der Punkte aus der Auftragsanalyse werden wir nun versuchen, das Wesentliche zusammenzufassen. Der Auftrag der logistischen Formationen bzw. der Logistiker heisst zwingend „die Generierung der Kampfkraft der Leistungsbezüger“. Kampfkraft zu generieren, heisst nicht nur, die fachtechnischen Kompetenzen zu kennen, sondern auch, sich selber schützen zu können. Zuletzt ist nicht zu vergessen, dass – wenn wir nicht überleben können – wir auch nicht unterstützen können.
Die Umwelt ist nicht USA- oder NATO-mässig. Wir sind in der Schweiz. Unsere Einsatzdistanzen zwischen der Front und der Back sind weniger breit und tief gegenüber dem, was wir im Irak oder in Afghanistan gesehen haben. Somit sind alle Truppen in unserem Gebiet in möglicher Gefahr. Auch eine Lage unterhalb der Kriegsschwelle ist für die Logistiker eine Gefahr. Die eigenen Mittel bezüglich der Logistik sind im Bereich Waffen und Selbstschütz in einer schwachen Position. Wenn wir die gegnerischen Möglichkeiten betrachten, stellen wir fest, dass die Logistikformationen und deren Infrastrukturen ein lohnendes Ziel für die Gegenseite bieten. Die Zeit, die vor uns steht, muss uns erlauben, unsere Formationen aufgrund praktischer Übungen zu testen und ständig an die erkannten Risiken anzupassen.
Die Selbstdisziplin
Obwohl die besten Soldaten nicht immer die motiviertesten und disziplinierten, sondern oft die schwierigsten und Scabby-Soldaten sind, zeigen diejenigen in einer Krisensituation den Unterschied auf. Man darf jedoch den Wert der Disziplin nicht unterschätzen. In diesem Fall ist die persönliche Disziplin gemeint. Diese Disziplin ist nicht im „preussischen“ Sinne zu verstehen, sondern eine ausgewogene, auf gegenseitigem Respekt basierende Wertvorstellung. Eine klare und fordernde Disziplin! Gestützt auf das Buch von Major John E. Edwards von der US Army[6] werden wir diesbezüglich wichtige Kriterien, welche in der Ausbildung, aber auch im Einsatz zu berücksichtigen sind, näher betrachten.
Tabelle 1: zu berücksichtigende Kriterien
Aussage | Erkenntnis |
Tragen Sie immer Ihre persönliche Ausrüstung und tragen Sie diese richtig. | Die Teile der Ausrüstung, die Ihnen jederzeit zur Verfügung stehen sollen, sind die Elemente, die Ihnen die Möglichkeit geben, zu überleben. Zum Beispiel, würden Sie ausserhalb der eigenen Schutzzone ohne Ausrüstung und ohne Ihre Waffe unter Feuer nicht einmal in der Lage sein, sich zu verteidigen. In einem solchen Fall sind Sie sicher kein Mehrwert für Ihre Einheit und noch schlimmer: Sie können auch getötet werden. |
Reinigen Sie Ihre Waffe mindestens einmal pro Tag, sie wird zu jeder Zeit schmutzig. | Sie wird funktionieren, wenn Sie sich darum kümmern, sie kann nicht, wenn Sie dies nicht tun. |
Waschen Sie sich. | Sie müssen so sauber wie möglich bleiben, um Krankheiten zu verhindern. Wechseln Sie regelmässig Ihre Unterwäsche und Socken und rasieren Sie sich täglich. Halten Sie Körper und Haar sauber. |
Schlafen Sie, wenn sich die Gelegenheit bietet. | Stehen Sie nicht, wenn Sie sitzen können. Setzen Sie sich nicht, wenn Sie sich hinlegen können. Schlafen Sie, wenn Sie nichts anders zu tun haben, denn im Kampf haben Sie vielleicht lange ohne Pause zu kämpfen. |
Üben Sie die eigene Sicherheit konsequent und ständig. | Diskutieren Sie nicht die Befehle ausserhalb der Einheit. Denken Sie an die Wichtigkeit der Geheimhaltung. Bleiben Sie wachsam und hinterlassen Sie keine Spuren Ihrer Anwesenheit. |
Üben Sie Ihre Fähigkeiten als Soldat. | In den verschiedenen Reglementen finden Sie ihr A und O. Führen Sie ihre Aufgaben folgerichtig und folgesicher. |
Ihre Position immer tarnen. | Sehen und nicht gesehen werden. |
Halten Sie jederzeit Ihre Ausrüstung bereit, auch wenn Sie diese nicht benutzen. | Es kann sein, dass Sie sich schnell bewegen müssen. |
Üben Sie die Sicherheit. | Das Schlachtfeld ist gefährlich genug, auch ohne zusätzliche Rücksichtslosigkeit. |
Viele unter Ihnen werden sicher meinen, dass das, was oben geschrieben ist, selbstredend ist. Andere werden sagen, das seien „SOPs“ (Standard Operation Procedures). Dem ist leider nicht so! Wäre es für alle selbstverständlich, hätte Edwards die Kriterien bezüglich einer Berufsarmee nicht schreiben müssen. Unsere Armee ist eine Milizarmee. Damit möchte ich aber nicht das Gefühl wecken, dass wir dadurch schlechter sind. Das sicher nicht, aber sprechen wir über die Konsequenz. Uns fehlt die Routine. Uns fehlt das tägliche Üben. Uns fehlt die Erfahrung. Als mögliche greifbare Konsequenz bleibt die Fähigkeit, diese Thematik in die Übungen zu integrieren. Dies bedeutet eine vernünftige Planung der Ausbildung respektive der Weiterausbildung der Angehörigen der Armee aller Stufen.
Professionelle Soldaten sind sehr gut in der Praxis der Disziplin, Amateure nicht.[7] Hier sind nicht die Berufssoldaten gemeint, sondern alle Berufs- und Nicht-Berufssoldaten. Schlussendlich wird Disziplin seit eh und je praktiziert und gehört zur Basis des Soldatenkönnens. Es ist keine Garantie zum Erfolg, sondern eine Chance zum Überleben und eine Chance, seinen eigenen Beitrag dafür zu leisten.
Wir beenden diesen Teil mit einer weiteren Satire über das Verhältnis zwischen Generälen und Logistikern:
Les Généraux forment tune race pleine de béate félicité qui rayonne d’assurance et de force sereine. Ils ne se nourrissent que d’ambroisie et s’abreuvent de nectar. En temps de paix ils foncent avec confiance et peuvent envahir un continent simplement en balayant une carte d’un geste large, en indiquant du doigt d’une manière péremptoire les couloirs naturels, en barrant les défilés et en dressant les obstacles infranchissables du tranchant de la main. En temps de guerre ils doivent foncer beaucoup plus lentement parce que chaque général a sans cesse un logisticien sur le dos, et il sait qu’à tout instant le logisticien peut se pencher ver lui et murmurer : „non, vous ne pouvez pas faire cela“. Les généraux redoutent les logisticiens en temps de guerre, et en temps de paix les généraux s’efforcent d’oublier les logisticiens[8].
Ersetzen sie jetzt das Wort „General“ mit „Kommandant“ und Sie können auch dieser Satire eine Schweizer Farbe geben. So oder so, eines ist klar: Zuerst sind wir Soldaten, dann Techniker. Der wichtigste Punkt ist der Auftrag. Der Auftrag muss erfüllt sein und wie mehrmals erwähnt: Wenn wir nicht überleben können, können wir nicht unterstützen!
Dieser Artikel ist auch auf Armee-Logistik zu lesen
(Armee-Logistik, Oktober 2016, Nr. 10, S. 6-9).
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Quellen:
Axe, David. From A to B: how logistics fuels American power and prosperity. 1st ed. Washington, D.C: Potomac Books, 2012.
Ecole d’Application de l’Arme Blindée e de la cavalerie. «Propos de popote». Point d’impression de l’E.A.A.B.C, mai 1984.
Edwards, John E. (Maj Ret USA). Combat Service Support Guide. Stackpole Books, 2000.
Sunzi. Die Kunst des Krieges. Herausgegeben von James Clavell. Vollst. Taschenbuchausg., [10. Dr.]. Knaur MensSana 87058. München: Knaur, 2008.
[1] Ecole d’Application de l’Arme Blindée e de la cavalerie, «Propos de popote» (Point d’impression de l’E.A.A.B.C, mai 1984), 24.
[2] John E. (Maj Ret USA) Edwards, Combat Service Support Guide (Stackpole Books, 2000), 168.
[3] David Axe, From A to B: how logistics fuels American power and prosperity, 1st ed (Washington, D.C: Potomac Books, 2012), 8.
[4] Als Militärelite sind alle Organisationen oder Personen gemeint, welche in der Wirtschaft verankert sind und eine einflussreiche Position haben, aber nicht politisch aktiv sind.
[5] Sunzi, Die Kunst des Krieges, hg. von James Clavell, Vollst. Taschenbuchausg., [10. Dr.], Knaur MensSana 87058 (München: Knaur, 2008).
[6] Edwards, Combat Service Support Guide, 161.
[7] Ebd.
[8] Ecole d’Application de l’Arme Blindée e de la cavalerie, «Propos de popote», 24–25.