Der Mut zum Nachdenken ist da. Der Mut zur Umsetzung schwach

Es gibt Hochglanzmagazine voller Leitartikel und Visionen. Unser tägliches Leben ist getaktet wie ein Schweizer Uhrwerk. Wir haben alles und für alles. Wir sitzen fest im Sattel. Wir sind in Sicherheit. Wir haben Ziele für jeden Augenblick unseres Berufslebens und darüber hinaus. Wir leben im Laufschritt. Das „Ich“ ist wichtiger als das „Wir“. Aber der Herzschlag ist beinahe flach. Der Herzschlag unserer Gesellschaft ist monoton. Das Herz schlägt, aber monoton. Wir haben alles. Wir sind müde. Die Gesellschaft, in der wir leben, ist müde.

Uns fehlen die Anreize

Wenn ich mich hinsetze, um zu schreiben, bin ich mir darüber bewusst, dass meine formulierten Gedanken zwar die eines nicht oberflächlichen Beobachters sind, jedoch nicht notwendigerweise durch empirische Forschung bewiesen. Und dies ist schließlich das, was eine Meinung ausmacht. Eine Meinung? Wir leben in einer müden Gesellschaft.

Manchmal sieht das Herz, was für die Augen unsichtbar ist (unbekannter Autor)

Erinnern Sie sich noch an die Erschließung des Wilden Westens, die alpinen Erstbesteigungen, den Bau der ersten Eisenbahnlinien, die Eroberung des Weltraums oder geniale Projekte, die in Hobbykellern ihren Ursprung hatten? Jetzt ist alles Schnee von gestern. Oder man könnte sagen, es ist nur eine Seite unserer Geschichte. Hat der Westen den Gipfel der Maslowschen Bedürfnispyramide erreicht? Vielleicht. Begeisterungsfähige Menschen gibt es immer noch. Futuristische Projekte auch. Aber das Ganze bleibt auf gesellschaftliche Randgruppen beschränkt oder wird auf diese verdrängt, um schließlich in der Projektphase zurück in die Anonymität zu gleiten. Die Gesellschaft dahingegen ist müde; ihr fehlt das Adrenalin. Das gemeinsame Adrenalin. Jenes Adrenalin, das die Massen mitreißt. Jene Massen, die mit ihrer Vehemenz die Geschichte durcheinander gebracht haben. Jene Massen, die das reguläre und Jahrhunderte alte Ticktack des Elends und der Normalität durchbrochen und den Weg für den Fortschritt frei gemacht haben.

Deshalb ist heute auch Wohlbefinden quasi zu einem Synonym für Individualismus geworden. Ein Individualismus, der uns zuerst an uns selbst denken lässt und dann, wenn nötig, auch an die anderen. Freiwilligenarbeit oder ehrenamtliche Tätigkeiten, das Symbol des Zusammenhalts und der Zugehörigkeit, werden immer weniger attraktiv. Weniger attraktiv, weil ihr tieferer Sinn nicht mehr erkennbar oder verloren gegangen ist oder weil es keine persönliche Bereicherung gibt. Und die vielen Menschen, die immer noch an das Ehrenamt glauben, möchten sich nicht persönlich daran bereichern. Ich war 19 Jahre aktiver Pfadfinder, wobei ich gut 15 Jahre lang ehrenamtlich im Einsatz war. Meine vier Wochen Urlaub habe ich immer gerne der Pfadfindergruppe gewidmet. Wie viele Wochen Urlaub hatte ich nochmal? …. Vier… Ich würde es wieder tun.

Die Gewöhnung an schlechte Nachrichten

Wenn ein Volk eine Vision hat, hat es Ziele oder Probleme und ist gezwungen, sich in verschiedensten Situationen aus einer misslichen Lage zu befreien. Das Volk, die Menschen schließen sich zusammen (was zu hoffen ist). Dieses Volk versammelt sich um ein Ideal und setzt sich in Gang, um es zu erreichen. Aber heute ist dies (vielleicht) nicht mehr der Fall. Heute haben wir alles. Reichtum, Sicherheit, einen guten Arbeitsplatz, eine sichere Gesellschaft, ein modernes Gesundheitswesen. Wir sind ein Volk auf dem Gipfel der Geschichte (erfolgt ein sofortiger, langsamer, aber stetiger Niedergang?).

Obwohl wir Tag für Tag durch die Medien mit spannenden Nachrichten bombardiert werden, in dieser Gesellschaft sitzen wir fest im Sattel. Was ist mit Terrorismus? Armut? Krankheiten? Arbeitslosigkeit? Krieg? Das sind schlimme Dinge. Denken wir. Aber auf der anderen Seite haben wir sie nach ein paar Minuten auch wieder vergessen. Es ist oft die Rede von weit entfernten (?) Orten. Wir fühlen uns sicher.

Diese Sicherheit, dieser Erfolg, der Westen hat ihn Jahr für Jahr, Jahrzehnte lang für sich erobert. Und durch viele Kriege. Ich will nicht Alarm schlagen oder pessimistisch klingen. Denn schließlich ist es richtig, reife und saftige Früchte zu genießen. Wir müssen (vielleicht) noch intensiver über den Individualismus, über die Rolle der Gesellschaft im Allgemeinen nachdenken und wie wir diese immer labilere Welt unseren Nachkommen übergeben wollen. Um dies zu tun, müssen wir aufhören, in der digitalen Welt in den eigenen vier Wänden zu leben. Wir müssen rausgehen (auch mit Gadgets), uns selbst finden und zusammen mit anderen echte Emotionen erleben.  Beispielsweise habe ich vor kurzem ein Buch über Social Media (Instagram) gelesen, in dem mir die Verschmelzung der digitalen mit der wirklichen Welt auffiel. Der verantwortliche Instagrammer macht sich die Mühe, ein Event (in digitaler Form) zu organisieren, in dem die Instagrammer in die Welt der digitalen Fotografie eintauchen, um sich dann schließlich in der wirklichen Welt zu treffen, um Meinungen auszutauschen und neue Leute kennen zu lernen. Dies soll als digital-reales Beispiel dienen. Es gibt viele andere.

Wer das Geheimnisvolle nicht kennt und sich nicht mehr wundern, nicht mehr staunen kann, der ist sozusagen tot und sein Auge erloschen (Albert Einstein)

An uns glauben und das egoistische „Ich“ zurückweisen

Zu guter Letzt. Visionen. Wenn ich von Visionen spreche, von Zielen, dann beziehe ich mich nicht auf die Hochglanzmagazine oder Plakate, die in jedem Unternehmen den Weg weisen. Um gemeinsame Visionen zu haben (und sie intensiv zu leben), müssen wir zu uns selbst zurückfinden und reden. Zu sich selbst zurückfinden, auch um zu träumen, zu motivieren und mitzureißen.  Angenommen, der Gipfel unseres Wohlbefindens wäre der, einzig dafür zu sterben, dass die Menschen aufhören, zu träumen, zu schaffen und an die eigene Zukunft und die ihrer Nächsten zu glauben. Das ist ein Albtraum, der hoffentlich nicht wahr wird. Wir müssen auch aufhören, ausschließlich zu denken, sondern müssen uns auch auf das Handeln konzentrieren. Wir müssen die Kraft unserer Gedanken sichtbar machen. Und jetzt warten wir nur noch auf den Prinzen auf dem weißen Pferd (in meinem Fall eher auf die Prinzessin). Denn an den (und an die Prinzessin) glaube ich auch.

Nein ich bin nicht grundsätzlich mit negativen Gedanken unterwegs. Über die Website made4switzerland gebe ich mich Mühe innovative Projekte und von allgemeine Kollektiven Interesse zu sammeln. Selbstverständlich, können sie mir auch besondere Projekte melden.

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