Diese Artikel wurde in der Zeitschrift Armee-Logistik
(Mai 2015, Nr. 55, Seite 9-10) veröffentlicht
Der Spruch „alle sprechen von Logistik aber niemand weiss wie es wirklich ist“ ist teilweise richtig. Der Grund ist einfach: unsere Logistik ist nicht grundsätzlich unter Druck. Unsere Einsätze sind von Ausnahmen abgesehen planbar. Geschweige denn die Logistik in den Übungen. Sie wird zwar immer als wichtiges Element betrachtet aber schlussendlich zu wenig berücksichtigt. Die Frage die wir heute anpacken wollen ist eine andere. Braucht die Logistik Führungs- und Gefechtsgrundsätze?
Speed is life; stopping is death (D. Axe)
Anlässlich verschiedener logistischer Vorträge oder Lektionen, die ich im Rahmen meiner Berufsaktivität als Ausbildner gehalten habe, fragte ich unter anderem, ob die Logistik auch über Führungs- bzw. Gefechtsgrundsätze verfüge. Da ich selten eine deutliche, sofortige und klare Antwort bekommen habe, stelle ich immer wieder fest, dass für die meisten das Wort „Führung“ und „Gefecht“ zu fest mit der Taktik und somit mit dem Kampf verbunden wird. Nach einer erzwungenen Antwort wird schüchtern als Erkenntnis festgestellt, dass die Antwort lautet: Ja, es gibt logistische Führungs- und Gefechtsgrundsätze. Sekunden später folgt meine nächste Frage, die so lautet: “Sehr gut, nun welche sind diese?” Auf diese Frage beginnen die Meisten, die Augen zu verdrehen, um dann möglichst schnell eine Antwort zu geben. Nach ein paar Versuchen im Brainstorming Modus, gab ich eine mögliche Antwort.
Führung- und Gefechtsgrundsätze?: ein Vorschlag
… Improvise, adapt and overcome … or … something (Jeff Clement)
Die logistische Führung- und Gefechtsgrundsätze sind (in alphabetischer Reihenfolge):
- Einfachheit;
- Einheitlichkeit;
- Flexibilität;
- Konzentration;
- Koordination;
- Ökonomie der Kräfte.
Die vorgeschlagene Liste stammt grundsätzlich aus dem Buch Logistik für Jedermann, in welchem die Logistik des Kalten Krieges ausgezeichnet beschrieben ist. Es geht mir darum, die trockenen Grundsätze auf das heutige Armeespektrum zu beschreiben. Nun wird es, für mich, aber auch für die Zuhörer noch interessanter.
Einfachheit. Was bedeutet Einfachheit? Die Bedeutung des Wortes liegt darin, die Prozesse kurz und bündig zu gestalten. Die Durchführung der Prozesse soll speditiv und mit einem minimalen Aufwand im Handling sein. Dies bedeutet, dass die Zwischenstationen minimiert sein müssen (Idealfall vom „Lager“ zum Leistungsbezüger). Einfachheit bedeutet aber auch eine Abstimmung aller Fachkonzepte. Das heisst, wenn im Grundsatz zentral gesteuert wird und dezentral ausgeführt wird, soll dies für alle Prozesse gelten.
Die Einheitlichkeit stellt die Forderung, die Prozesse zu planen, so dass sie für alle betroffenen Kompanien, sprich die Leistungsbezüger, gleich organisiert sind. Es bedeutet auch, dass alle Prozesse und Abläufe abgestimmt sind.
Die Flexibilität ist die Fähigkeit der Logistik, sich an die Bedürfnisse der Leistungsbezüger jederzeit anzupassen. Flexibel zu sein heisst auch, ständig neue Wege zu finden, auch wenn diese nicht immer reglementskonform sind. Flexibilität heisst aber auch, jederzeit bereit zu sein, die Prioritäten der Leistungen anzupassen. Ein Beispiel? Die Logistik ist wie eine Rolle Toilettenpapier, deren Bedeutung erst klar wird, wenn sie leer ist. Und die Flexibilität? Zum Nasenputzen, zum Reinigen der Ohren, als Notizblatt, um ein Feuer zu entfachen, zum Reinigen einer Oberfläche, zum Ball spielen, als Girlande oder natürlich für viele andere Zwecke. Auch das bedeutet Logistik: Zu wissen, wie man improvisiert und sich an gegebene Verhältnisse anpasst.
Konzentration heisst für den Logistiker, sich zu entscheiden, ob aufgrund eines Operationstyps die Logistikorganisation zentral oder dezentral vorzusehen ist. Zentral bedeutet, alle Logistikmittel in einem oder mehreren Stützpunkten (Log Basen) zu konzentrieren. Dezentral meint, die Logistikmittel eher an die Kompanien zu verteilen. Die Versorgungsautonomie kann auch unabhängig von zentral bzw dezentral geplant werden. So können wir zum Beispiel alle Mittel der Küche zentral planen, aber die Versorgungsautonomie der Einheiten erhöhen (1 Tagesration auf Mann, 1 Tagesration im Gefechtsunterstand, 2 Tages Rationen auf Stufe Kompanie bzw. Zug).
Koordination ist die Fähigkeit der Logistiker, nicht nur die Effektivität (die geforderte Leistung) zu erreichen, sondern auch die Effizienz (Prozesse, Organisation) anzustreben. Klare Schwergewichte bilden, alle Bewegungen (Transporte) zu minimieren mit dem Ziel, die Einsatzbereitschaft der Leistungsbezüger zu maximieren. Die Koordination obliegt auf Stufe Truppenkörper dem S4, der diese gleichzeitig mit dem S3 abzustimmen hat.
Ökonomie der Kräfte beantwortet die Bedürfnisse der Logistiker, jederzeit die Leistungen erbringen zu können. Der kämpfende Verband bringt die gewünschte Leistung im Gefecht. Der Logistiker muss vor dem Kampf die Einsatzbereitschaft im Log Bereich sicherstellen. Das Gleiche wird während dem Kampf bzw. der Aktion verlangt und sicherlich nach dem Kampf.
Die Logistik muss ihre Leistungen rund um die Uhr, Tag nach Tag, in jeder Lage erbringen können.
Somit ist die Durchhaltefähigkeit der Logistikorganisation von zentraler Bedeutung.
Die Rolle des Truppenführers: Taktik über alles?
Ein moderner Truppenführer muss deshalb nicht nur ein gewiegter Taktiker sondern auch ein umsichtiger Logistiker sein (E. Müller, S. 16)
Die Führungs- und Gefechtsgrundsätze sind für jeden Kommandanten sowie auch für jeden Logistiker nützlich, um das Logistikkonzept besser zu verstehen bzw. zu planen. Es aber wäre falsch, die obengenannten Grundsätze als Wahrheit zu interpretieren. Jede Operation bzw. Situation benötigt andere Schwergewichte. Somit sollen die Stärken und die Schwächen jedes Logistikkonzepts nicht nur aufgrund der Grundsätze (gemeint als trockenes Wort) selber berücksichtigt werden, sondern aufgrund einer tieferen und konkreten Vorstellung der Bedeutung, welche die Begriffe Einfachheit, Einheitlichkeit, Flexibilität, Konzentration, Koordination und Ökonomie der Kräfte bezüglich einer Operation bedeuten.
Anders gesagt Fleisch (Analyse) am Knochen (Beschreibung der Führungs- und Gefechtsgrundsätze).
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Quellen
Axe D. From A to B: how Logistics Fuels American Power and Prosperity. Potomac Books, ISBN 978-1-59797-525-4.
Clement J. The Lieutenant Don’t Know. One marine’s story of warfare and combat logistics in Afghanistan. Casamate. ISBN-13 978-1612002484.
Müller E. Logistik für Jedermann. Huber Verlag. ISBN 3-7193-941-X.
Rappazzo A. Logistik und Toilettenpapier. http://rappazzo.org/2014/03/23/logistik-und-toilettenpapier/ bzw. (2/14). Logistik und Toilettenpapier – Die Rolle der Logistik. Armee.ch – Logistikbrigade 1, Seite 6-7.
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