Führen, motivieren, erziehen

Lessons Learned der jungen, zukünftigen Offiziere der logistischen Truppen

Die folgenden Gedanken fassen die wichtigsten Merkmale im Bereich „Führung einer Klasse“ zusammen und sind vom Sichtpunkt eines Klassenlehrers mit mehrjähriger Führungserfahrung formuliert. Als Kader sind wir uns gewohnt, immer eine oder sogar zwei Stufe höher zu denken. Doch die folgenden Zeilen fokussieren hauptsächlich die Perspektive des Klassenlehrers. Jeder Führungsverantwortliche, jeder Lehrer, jeder Teamleader entwickelt mit der Zeit seinen eigenen Führungsstil. Als Klassenlehrer einer Kaderschule bilden wir junge Führungskräfte aus, die in der Lage sein müssen, vor der eigenen Truppe bestehen zu können und diese erfolgreich zu lenken. Die Auszubildenden erwarten eine harte, aber gezielte Erziehung. Was ich mittels dieser wenigen Worte zeigen möchte, sind die Eigenschaften, die meiner Meinung nach bei einem Ausbildner unverzichtbar sind, um überhaupt in diesem Bereich reüssieren zu können. Die Abhandlung basiert auf meiner mehrjährigen Führungserfahrung. Obwohl jeder Führungsstil von persönlichen Erfahrungen gefärbt ist, gibt es verschiedene konvergierende Punkte, die alle Ausbildner gemeinsam haben. Es ist meine Absicht, alle Leser darauf hinzuweisen, wie wichtig die Wechselbeziehung zwischen Führungs-, Sozial- sowie Fachkompetenz ist. Die Einzelheiten jedes Führungsstils sind durch die eigene Lebenserfahrung geprägt.

Lob an die Disziplin

Eine wesentliche Komponente meines Führungsstils ist die Disziplin. Ich erwarte sowohl von mir, als auch von meinen Schülern bzw. den zukünftigen Offizieren, geordnetes und geregeltes Verhalten. Das Wort Disziplin wandelt seine Bedeutung ständig mit dem Laufe der Zeit. Um euch zu schildern, was für mich das Wort darstellt, erwähne ich Bernhard Bueb in seinem Buch Lob der Disziplin – Eine Streitschrift. Er schreibt, dass die Disziplin notwendig ist, um eine Selbstdisziplin zu erreichen. Dieser Grundgedanke soll uns Lehrer in unserer Arbeit leiten. Mittels Disziplin muss der Ausbildner seine Schüler erziehen, damit diese nach dem Abschluss fähig sind, selbst bestehen und führen zu können.

Disziplin aber schliesst flexibles Handeln und Vertrauen schenken keineswegs aus. Wenn wir das oberste Ziel nicht aus den Augen verlieren, können wir auch trotz eines geradlinigen Führungsstils Flexibilität und Vertrauen gewährleisten und gerade dank dieser Kombination erfolgreich sein. Ich stelle immer wieder fest, dass unsere zukünftigen Offiziere, an den Lehrer grosse Erwartungen stellen; sie verlangen einen klaren Führungsstil, Gleichbehandlung, Erfahrung sowie Kompetenz, aber auch eine gewisse Dosis Abenteuer. Disziplin im Unterricht bedingt, dass sowohl die Regeln als auch die Konsequenzen festgelegt und offen dargelegt sind. Regeln ohne Konsequenzen sind eine Pharse. Sobald eine Regel missachtet wird, muss eine Konsequenz folgen. Dies wird auch erwartet. Nur so kann gerecht und authentisch geführt werden. Eine erste Erkenntnis, die ich gezogen habe, ist, dass es methodisch fragwürdig wirkt, direkt mit Vertrauen und Lob zu beginnen. Denn die Auszubildenden erwarten eine deutliche Hierarchie. Sie fordern ein klares Beispiel. Zudem wollen sie und die Lehrer gemeinsam hochgesteckte Ziele erreichen. Die Folgen sind von diesem Standpunkt klar; alle Aktivitäten müssen strikte geführt, beurteilt und benotet werden. Durchsichtige, eindeutige Regeln sind von Tag zu Tag bekannt zu geben, behandelt und regelmässig überprüft zu werden. Dies beginnt bei kleinen Details, wie beispielsweise bei der An- und Abmeldung, dem Augenkontakt, dem Verhalten gegenüber einem Vorgesetzten, dem Umgang mit Kritik und so weiter. Diese Kleinigkeiten legen die Grundsteine für die Gruppenbildung. Es sind grundlegende Werte und Normen, die dabei vermittelt werden. Es geht nicht darum, das soldatische Know-how zu verbessern, sondern die Regeln des Zusammenlebens in einer hierarchischen Gruppe zu prägen. Als Chef muss ich meine Truppe formen, vorbereiten und führen. Jedes Mal, wenn ich meinem Chef oder anderen Vorgesetzten begegne, verhalte ich mich genau so, wie ich es von meinen Schülern erwarte. Egal ob mein Chef ein guter Freund oder nur ein flüchtiger Bekannter ist, ich verhalte mich beiden Vorgesetzten gegenüber gleichermassen. Ich bemerke, dass seit Jahren eine in meinen Augen bedenkliche Entwicklung im Gange ist. Ausserhalb der Schulen kommt es häufig vor, dass ausgebildete angehörige der Armee die Grundregeln missachten. Je mehr höhere Kader im Raum anwesend sind, desto weniger werden die militärischen Umgangsformen beachtet. Man sagt, dass die Durchsetzung der Disziplin die Sache jedes Chefs ist. Aber oftmals handeln wir bei einem Fehlverhalten von Soldaten nicht, weil er nicht unser Unterstellter ist. Dieses Bild präsentiert sich mir täglich. Als Selbstkritik muss ich dazu sagen, dass jeder von uns die Missachtung der Regeln korrigieren muss. Das tönt in der Theorie gut, wird allerdings in der Praxis nur mangelhaft durchgeführt.

Abschliessend möchte ich nochmals folgendes erwähnen: Durch Disziplin will man Selbstdisziplin erreichen. Ein Chef, der das erreicht, – und damit meine ich Führungskräfte aller Stufen – kann mit seinen Unterstellten hervorragende Arbeit leisten und hohe Ziele erreichen. Es ist unabdingbar, das Gelernte von Zeit zu Zeit wieder zu überprüfen, und wenn nötig, angemessene Konsequenzen einzuleiten.

Lob an die Motivation

In diesem namentlichen Beruf ist die Motivation von entscheidender Bedeutung. Als führende Kraft muss man sowohl fähig sein, Eigenmotivation aufzubringen als auch Beteiligte zu motivieren. Das ist eine sehr komplexe und schwierige Aktivität. Allein das Beherrschen von unterschiedlichen Verständigkeiten in den Bereichen der Fach- sowie Sozialkompetenz und der Disziplin genügt nicht, um die Auszubildenden zu Höchstleistungen zu animieren. Wenn das Herzblut fehlt, kann man kein Feuer beim Gegenüber entfachen. Ich habe bereits die Komplexität des Führens erwähnt. Sie besteht darin, dass sich verschiedene Punkte treffen müssen: nämlich die Disziplin, die Führungs-, die Fach- und die Sozialkompetenz. Es gibt allerdings Momente im Lernprozess, in denen man, im Hinblick auf ein grösseres Engagement, auf gewisse Regeln und Perfektion verzichten muss bzw. darf. Als Lehrer muss man situationsgemäss handeln – man muss flexibel sein und manchmal zu Gunsten des höheren und enthusiastischeren Einsatzes ein Auge schliessen. Ein Lehrer muss motivieren, animieren, begeistern und Resonanz auslösen. Ich erinnere mich an einen fachlich hochkompetenten Lehrer aus meiner Offiziersausbildungszeit. Er unterrichte uns Übertragungstechnik. Obwohl er sachlich viel vermitteln konnte, fehlte ihm die Gabe, sein Publikum zu motivieren. Er war nicht in der Lage, bei den Zuhörern Begeisterung und Feuer auszulösen, sie zu integrieren. Denn er dozierte ohne jegliches Herzblut, versprühte keine Vitalität. Auf der anderen Seite konnte ich zum Thema ABC-Theorie während meiner Ausbildung zum Offizier einen hervorragenden Referenten erleben. Ihm gelang es, trotz der langweiligen Materie, die er zu vermitteln hatte, die Studierenden zu fesseln, ihr Interesse zu wecken. Ausnahmslos alle Schüler waren aufmerksam, aufnahmebereit und wach. Diese beiden erlebten extremen Gegensätze haben Einfluss auf die Ausgestaltung meiner Lektionen. Ich versuche in meine Unterrichtseinheiten Humor und Dynamik einfliessen zu lassen und mit meiner Begeisterung zur Sache bei den Schülern auf Resonanz zu stossen. Das geschieht teilweise auch auf Kosten der Pedanterie. Theorien sind und bleiben allerdings Theorien. Die Kunst des Vermittelns besteht darin, diese trockenen, stationären Abschnitte der Ausbildung aufzulockern und Leben einzuflössen. Wie? Durch ein einfaches Mittel; dem Drill. So baue ich beispielsweise während einer Theorieeinheit einen Waffendrill ein. Dadurch entwickelt sich quasi ein Wettbewerb zwischen den Anwärtern. Mit dieser simplen Massnahme zeige ich, wie ein Drill einerseits kurz, prägnant und motivierend sein kann und andererseits dazu dient, die eigenen Fähigkeiten zu vertiefen. Zum Schluss möchte ich die Zeilen präzisieren. Im Vordergrund unserer Arbeit steht immer der Auftrag. Dieser ist in allen Tätigkeiten aber insbesondere im militärischen Bereich eine Besonderheit. Es gilt: Auftrag erfüllt oder nicht erfüllt; Leben oder tot; schwarze Zahlen oder Konkurs. Die taktische Führung beschreibt klar und deutlich wann wir von einem Auftrag abweichen können. Mit diesen Gedanken möchte ich klar betonen, dass der Auftrag oberste Priorität hat. Den Weg, den wir wählen, um den Auftrag zu vollstrecken, löst Folgen aus. Als Chefs müssen wir diese im Voraus abschätzen und im Nachhinein akzeptieren können.

Ich versuche in allen Bereichen immer ein maximales Ziel anzustreben und gebe diese Einstellung mit der Zeit der Klasse weiter. Mein Charakter ist sehr impulsiv, kreativ und visionär. Doch behalte ich diese Persönlichkeitsmerkmale weitgehend unter Kontrolle, damit meine Klasse sich selbst Ziele steckt und diese zu erreichen probiert. Klar benötigt dieses Vorgehen mehr Überzeugungsfähigkeit. Aber es lohnt sich auch!

Lob an die Weiterbildung

Nun kommen wir zum Bereich Fachkompetenz. Um beruflich immer auf dem neuesten Stand zu sein, ist es wichtig, sich stetig weiterzubilden und seinen Wissenshorizont auszubauen. Ein moderner, weit blickender Arbeitgeber fördert seine Angestellten und unterstützt sie in ihrer Weiterbildung. Wer sich nicht laufend weiterbildet, bleibt stehen und genügt den Anforderungen des Arbeitgebers immer weniger bis nicht mehr. „Stillstand gleich Rückschritt.“ Weiterbildung und Förderung der Mitarbeitenden sind kurz- oder langfristige Massnahmen, die systematisch, positions- und laufbahnorientiert eine Verbesserung der Qualifikation zum Ziel haben; dies sowohl im Sinne der Mitarbeiter und der Unternehmung. Weiterbildung von Mitarbeitenden ist daher eine Chance für den Arbeitnehmer wie auch für den Arbeitgeber.

Jeder Berufsoffizier ist logischerweise ausgebildet. Aber bei unserer vielfältigen Tätigkeit, bei der wir in mehreren Arbeitsgebieten eingesetzt werden können, ist es notwendig, sich für jeden neuen Aufgabenbereich vorzubereiten. Das reicht nicht. Jedes Jahr soll ein Fenster eingeplant werden, um sich einerseits für den aktuellen Job und andererseits für künftige Tätigkeitsfelder weiterbilden zu können. Weiterbildungen bringen einem aber nicht nur auf beruflicher Ebene weiter, nein, sie tragen auch zur eigenen Persönlichkeitsentwicklung bei. Sich weiterzubilden ist für mich eine Freude. Dabei tanke ich wieder neue Ideen und frische Motivation.

Lob an die Zusammenarbeit

Die Teilnehmer einer Offiziersschule kommen nach verschiedenen Auswahlverfahren und unterschiedlichen Ausbildungen zu uns. Meiner Meinung nach wäre es sowohl für uns als auch für die Schüler falsch, zu diesem Zeitpunkt der Ausbildung jemanden zu entlassen. Leider kommt es noch hin und wieder vor, dass Anwärter mangelnde Motivation, ungenügende Leistungsfähigkeit oder gar Charakterschwäche aufweisen. Als Klassenlehrer gehe davon aus, dass meine Berufskameraden ihre Arbeit gut vollbracht haben, deshalb ist es mein Ziel, die jungen Aspiranten auszubilden – egal, ob sie stark oder schwach sind. Ich erinnere mich an einen Schüler, der nach der ersten Woche Offiziersschule total in Panik geriet, sich der Hersausforderung nicht gewachsen fühlte und desorientiert war. Er wollte die Ausbildung abbrechen, nach Hause gehen und den Vorschlag streichen lassen. Zu diesem Schritt wollte ich ihn nicht unterstützen. Er hatte zwar Schwierigkeiten, aber ich sah entwicklungspotential in ihm. Und so absolvierte er die Schule. In der VBA schloss er mit einer sehr guten Note ab.

Als Teilnehmer von Fortbildungsschulen war ich immer ein durchschnittlicher Schüler. Ich hasste es, mich zu exponieren. Ich wollte die anderen Mitstreiter beobachten, analysieren und studieren, um von allen, seien es Lehrer oder Kameraden, profitieren zu können. Auf der anderen Seite hatte ich beim Abverdienen, wenn ich als Chef eingesetzt war, häufig die beste Beurteilung. Leider scheiterte ich gerade wegen dieses Verhaltens während des Generalstabslehrgangs I. Nachdem ich diese anerkannte Schule vier Wochen besucht hatte, bekam ich nicht die Möglichkeit, die Ausbildung weiterzufolgen und zu Ende zu führen. In meinem Tun, berücksichtige ich immer wieder die Arbeit meiner Berufskameraden; ich nehme den Ausbildungsauftrag wahr. Ungenügende Resultate sind für mich keine Gründe, um einen Schüler aus einer Ausbildung zu entlassen. Auf der anderen Seite sind fehlende Motivation, Offizier zu sein, Charakterschwäche sowie Egoismus Gründe, um diese wichtige Schule abzubrechen. Als Lehrer arbeiten wir mit einer heterogenen Klasse (Die Klasse ist aus verschiedenen Kulturen, Sprachen, Stammschulen, Waffengattungen sowie unterschiedlichen Geschlechtern zusammengesetzt.). Wir bilden die Leute aus, die uns empfohlen wurden. Unsere Aufgabe ist es, aus jedem Teilnehmer das Beste herauszuholen und ihn optimal zu fördern.

Lob an die Philosophie

Klare und deutliche Disziplin; hohe Motivation; bereit, sich in Frage zu stellen und sich weiterzubilden; damit Man-Power erhalten und so das Beste aus sich zu holen. Auf diesen Gedanken basiert meine persönliche Philosophie:

Sehe als Erster; verstehe als Erster; agiere als Erster.

Sehen heisst, im Voraus denken und planen; verstehen meint, vernetzt zu denken und mögliche Stolpersteine frühzeitig zu erkennen; agieren bedeutet, dynamisch sein und stets vorwärts zu schreiten.

Wie mir das gelingt möchte ich in meinem Schluss erläutern:

Ich bilde logistische Offiziere aus. Das heisst, mein Ziel ist, Kampfkraft zu generieren. Der Weg zum Ziel ist unermüdliche Arbeit, was aber nicht bedeutet, sieben Tage pro Woche ununterbrochen zu arbeiten. Das Verhalten am Ziel ist, sich ständig weiterzubilden. Es ist schwierig nach diesem Grundsatz zu handeln. Täglich passieren mir Fehler, aber ich lerne daraus. Ich bin in Bewegung. Nach demselben Prinzip agieren meine jungen, zukünftigen Kameraden auf dem Weg zum Offizier.

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2 Kommentare zu „Führen, motivieren, erziehen“

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