Der Krieg von heute und morgen. Und der von übermorgen?

Den Gegner von hinten angreifen. Den Gegner zum Kampf zwingen. Seine Kräfte teilen. Ihm den Fluchtweg versperren. Der Angriff als Regel, die Verteidigung als Kriegslist.

small_warsDies sind einige Beobachtungen, die im Buch Small WarsTeoria e prassi dal XIX secolo all’Afghanistan (Theorie und Praxis seit dem 19. Jahrhundert bis nach Afghanistan) von Charles Edward Callwell (edizione libreria editrice Goriziana a cura di Andrea Beccaro – ISBN 978-88-6102-128-0), das zum ersten Mal 1896 veröffentlicht wurde, enthalten sind. Small Wars analysiert verschiedene militärische Eroberungszüge der Westmächte des 19. Jahrhunderts. In diesen Eroberungszügen mussten sich die Westmächte, die sehr disziplinierte und gut organisierte Armeen besaßen, mit den schlecht oder nicht ausgebildeten Streifkräften auseinandersetzen. Diese Asymmetrie ist auch heute noch bekannt. Gegen diese irregulären Kräfte war die Taktik von damals, aber auch die von heute wenig erfolgreich. Die klassische Operation, die in der Geländeerkundung, der Angriffsvorbereitung mithilfe von Artilleriefeuer und dem darauffolgenden Angriff bestand, war und ist nicht wirksam. Tatsächlich geht die gegnerische Seite vor allem in kleinen Gruppen vor – um dann eventuell für die Angriffszeit eine stärkere, mächtigere und schnellere Gruppe zu bilden, die weniger an die Logistik gebunden ist und vor allem keine Konfrontation sucht. Die Artillerie – die auch die gegnerischen Ziele orten konnte – schlug den Gegner in die Flucht, so dass die Konfrontation fast als Zeitverschwendung galt.

Die Small Wars von (…) Callwell sind anders, es handelt sich manchmal um lange und blutige Konflikte in entfernten, unzugänglichen, unbekannten und schwer zu erreichenden Einsatzgebieten, in denen die Bevölkerung mit unterschiedlichen Militärkulturen von den regulären europäischen Truppen bekämpft werden… man beabsichtigt daher einen Zusammenstoß zwischen einer modernen, staatlichen Armee nach europäischem Schlag und irregulären Kräften (Small Wars, S. 14).

Ist aber das oben Gesagte heute noch gültig? – Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien, Palästina und andere sind mehr als gültige Beispiele. Die Ausgabe von Small Wars von Andrea Beccaro wird in der italienischen Version erneut mit den Kapiteln veröffentlicht, die heute noch aktuell sind, denn viele der damals verwendeten Taktiken und Techniken, aber auch das Verhalten seitens der gegnerischen Seite, spiegeln sicherlich die heutige Situation wider.

Sprechen wir jetzt von Three-Block-War, Kampfhandlungen, Friedenssicherung und humanitären Maßnahmen. Drei Aufgaben, die drei verschiedene Ansätze erfordern. In der Theorie ist es einfach: Sobald eine Operation beendet ist, ändert der Soldat die Methode und handelt den neuen Regeln entsprechend. Wie wir im Folgenden sehen werden, sieht es in der Praxis ganz anders aus. Afghanistan, Irak, Libyen (was das Luftraumverbot betrifft) haben in ihrer ersten Phase die Kraft moderner Armeen gezeigt: technologisch stark und für alle Kampfhandlungen vorbereitet.

Die Taktik begünstigt die reguläre Armee, während die Strategie den Feind begünstigt, somit besteht das Ziel darin, zu kämpfen und kein Manöver abzuhalten (Kap. VIII).

Genau an diesem Punkt entstehen die heutigen Probleme. Nach Beendigung der Kampfhandlungen folgt der  Wiederaufbau, Eindämmungen und weitere Handlungen. Abgesehen von der Schwierigkeit des einzelnen Soldaten, die verschiedenen „Arbeitsmethoden“ zu bewältigen, die täglich (Three-Block-War) variieren können, beginnt die gegenerische Seite ab diesem Zeitpunkt damit, den Militärapparat unter Druck zu setzen. Durch den Hybridkrieg, d.h. mithilfe der Anwendung unkonventioneller Taktiken gegen konventionelle Taktiken (Small Wars), kann die gegnerische Seite ebenfalls viele Vorteile daraus ziehen, wobei der Militärapparat manchmal daran gehindert wird, auf dem eigenen Boden erfolgreich zu operieren. Oder zumindest macht er die Beendigung der Operationen langwieriger, mühsamer und kostspieliger (sowohl in Bezug auf die eingesetzten Leben als auch in finanzieller Hinsicht).

Seit 1945 sind die Konflikte zwischen den Staaten im klassischen Sinn drastisch zurückgegangen, um anderen Konfliktarten Raum zu lassen. Der erste ist der LIC (Low Intensity Conflict), also ein Konflikt von niedriger Intensität,  Konflikte in wenig entwickelten Ländern, in denen sie oft mit dem Begriff Terrorismus konnotiert werden (Small Wars, S. 28). Dann finden wir die COIN (Counter Insurgency), in denen sicherlich eine ihrer nachfolgenden Umsetzungen  einige Ergebnisse hervorgebracht hat, die aber auf praktischer Ebene mit den bereits genannten Problematiken der Soldatenrolle zusammenstoßen. Dieses Problem wird auch in einem Artikel The war after this one (James Defence Weekly 10.10.2012, Daniel Wasserbly) hervorgehoben, in dem drei Brigadekommandeure mit Erfahrung auf dem Gebiet einen konstanten Verlust der operativen Kapazitäten, auf denen die Arbeit des Soldaten beruht, beklagen:

Three former brigade commanders in an April 2008 “White Paper” drafted for army leadership warned that field artillery units were suffering from lack of training in their specialty and from growing morale issues (janes.ihs.com)

COIN und LIC unterscheiden sich voneinander, sie haben aber auch Eigenschaften, die sie verbinden: Sie beziehen beide keine regulären Armeen oder solche mit einer gering entwickelten Technologie oder Armeen, in denen die Zivilbevölkerung integraler Bestandteil des Konflikts ist, ein.

Kehren wir jetzt zum bereits genannten Three-Block-War zurück. In einem sehr interessanten Videointerview, das auf TED ausgestrahlt wurde, hat Thomas Barnett 2005 auf komische und manchmal unterhaltende Weise die Problematiken der Organisation des US-Militärs bezüglich der aktuellen und/ oder zukünftigen Bedrohung behandelt. Die USA besitzen eine leviathanische Armee, da gibt es nichts zu diskutieren. Aber die Probleme bestehen darin, wie nach der  (kriegerischen) Intervention mit der Macht umgegangen werden soll. Für eine tiefergehende Diskussion der Thematik wird auch auf das Band von Giovanni MarizzaI punti deboli della gestione delle crisi – Sanzioni economiche, nation building, exit strategy” („Die Schwächen des Krisenmanagements –  Wirtschaftliche Sanktionen, Nationenaufbau, Exit Strategy“) verwiesen. Hier setzt man sich mit der Schwierigkeit des Abzugs aus dem Operationsgebiet auseinander.

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Wie bereits mehrmals zitiert:

…können wir nicht von dem gleichen 19-jährigen Jugendlichen verlangen, alle zwei Tage alles durchzuführen (aus dem Interview)

Deshalb, so führt Barnett fort, benötigt man wohl eine leviathanische Armee, dessen Zweck es ist, einen klassischen Krieg durchzuführen, während auf der anderen Seite eine andere Armeeart notwendig ist, die „SysAdmin“-Armee.

Die SysADmin-Armee ist diejenige, die nie nach Hause zurückkehrt und die den meisten Teil der Arbeit durchführt. Lasst die leviathanische Armee nur ab und zu losziehen… Die leviathanische Armee ist ein typisches Männerheer. Ich will sie jung, männlich, unverheiratet und leicht zornig (aus dem Interview).

Während – so fährt er fort – die SysAdmin-Armee aus vielleicht verheirateten Männern mit mehr Lebenserfahrung besteht. Hat man ein richtiges Verhältnis zu unserer Wirklichkeit, kann man bestätigen, dass das Thema der Tätigkeit und derjenigen, die die Tätigkeit ausüben sollen, eine nicht zu unterschätzende Wichtigkeit besitzen. Barnett fährt fort, indem er bestätigt:

Machen Sie keine Kriegspläne, wenn Sie nicht planen, auch den Frieden zu besiegen.

Diese Worte finden ihre Bestätigung in der Schwierigkeit, die Zeit nach dem Konflikt zu bewältigen (siehe Text von Giovanni Marizza). Zusammenfassend kann man sagen, dass es wichtig ist, eine Operation nicht nur in der frühen Anfangsphase (Kampf) zu berücksichtigen, sondern auch in der Bewältigung der Zeit nach dem Konflikt und nach seinem Ausgang. Zusätzlich kann ein darauffolgendes und gut eingeschätzter COIN hilfreich sein, um gute Ergebnisse zu erzielen.

Die Kriege von morgen sind bereits die von heute; hybridisch, von niedriger Intensität und nicht notwendigerweise mit  staatlichen Akteuren. Die westlichen Armeen sind noch sehr strukturiert und organisiert, um konventionelle Kriege zu kämpfen. Wir haben also leviathanische Armeen, die für den Kampf konzipiert wurden. Aus diesen Gründen könnten wir aber sagen, dass zurzeit die einzig wahre Armee, diejenige mit Sternen und Streifen ist. Nichtsdestoweniger hat aber die auf diese Art gestaltete Armee Schwierigkeiten, die Übergangsphase und die Ausstiegsphase aus dem Operationsgebiet zu bewältigen. Ein Schleier, der über die anderen westlichen Kräfte zu legen ist; man sollte daran erinnern, dass ohne die Unterstützung der USA, die Intervention in Libyen ganz anders hätte ausgehen können.

Der General Vincent Desportes bestätigt in seinem Buch La guerre probable – penser autrement (Der mögliche Krieg – anders denken) :

Die schnelle Anpassungsfähigkeit (der Armeen) bestätigt sich als grundlegende Qualität des Militärsystems.

Es wird also betont, wie wichtig es ist, sich an neue Formen anpassen zu können, bevor es zu spät ist, besser noch wäre eine antizipierende Anpassung. So können manchmal auch Interventionen, die außerhalb des Schemas liegen, wie das von Bernett, Gegenstand der Reflexionen sein. Andererseits kann auch die Untersuchung der Unterlagen oder Bücher, die sich auf andere Epochen beziehen, mit den notwendigen Bemerkungen noch hilfreicher für die Interpretation, für die Vorhersage der Kriege von heute und von morgen sein.

http://www.economist.com/node/21563764
http://www.economist.com/node/21563764

Und übermorgen? Heute können wir eher als früher reine Vermutungen anstellen. Hierfür ist es ausreichend, einen der vielen Artikel zu lesen. Es gibt aber auch viele Bände, die Ressourcen behandeln. Wasser ist ein Beispiel hierfür. Der diesbezügliche Artikel trägt den Titel „Water wars in Central Asia – Dammed if they do – Spats over control of water roil an already unstable region (The Economist, 29.09.2012). Heute gibt es bereits regionale Spannungen oder Spannungen zwischen Nachbarstaaten, die eine geringe Identität aufweisen. Die Gefahr besteht in der zunehmenden Knappheit und in der Verschlechterung des Ressourcenmanagements im Verhältnis zur Bevölkerungszunahme. Eine mögliche Entwicklung der Konflikte könnte eine Rückkehr zum kriegerischen Antagonismus zwischen Nachbarstaaten, aber auch – und das ist vielleicht beunruhigender – von großen Koalitionen gegen Regionen, Staaten, Staatengruppen, die sich der Sicherstellung des Nießbrauchs dieser Ressourcen widmen, sein.

Übersetzung: www.translated.com
Originalartikel (italienisch): Link

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